Die Oberflächenenergie eines Festkörpers ist ein Maß dafür, wie leicht eine Oberfläche mit einer Flüssigkeit benetzt werden kann und gibt eine Indikation über die zu erwartenden Haftungseigenschaften auf diesem Festkörper. Experimentell kann man die Oberflächenenergie bestimmen, in dem man Kontaktwinkelmessungen mit mehreren Testflüssigkeiten durchführt.
Was ist die Oberflächenenergie eines Festkörpers?
Die Oberflächenenergie beschreibt einen speziellen Fall der Grenzflächenenergie, nämlich an der Oberfläche eines Festkörpers zu einem Gas (meist der Umgebungsluft). Die Oberflächenenergie ist ein Maß dafür, wie leicht oder schwer die Festkörperoberfläche mit einer Flüssigkeit benetzt. Außerdem hat die Oberflächenenergie Einfluss darauf, wie gut feste oder flüssige Materialien an der Festkörperoberfläche haften.
Wichtige Anwendungsbeispiele für Messungen der Oberflächenenergie
In der Praxis weist eine höhere Oberflächenenergie von Festkörpern auf eine bessere Benetzung und damit auch auf eine bessere Haftung hin. Kommt der Festkörper mit Wasser in Kontakt, so bildet sich auf Festkörpern mit hoher Oberflächenenergie ein niedriger Kontaktwinkel aus, das heißt, dass sich die Wassertropfen auf der Oberfläche ausbreiten oder spreiten. Glas, Keramik und viele Metalle sind Beispiele für Festkörper, deren Oberfläche naturgemäß eine hohe Oberflächenenergie aufweisen.
Eine niedrige Oberflächenenergie weist auf eine schlechte Benetzung und damit auch auf eine schlechtere Haftung hin. Bei Kontakt mit Wasser bildet sich hier ein hoher Kontaktwinkel aus, das heißt, dass der Wassertropfen auf der Oberfläche aufliegt und sich nicht ausbreitet. Viele Kunststoffe [Applikationsbereicht: Polymer Substrates] haben originär eine niedrige Oberflächenenergie. Bei Materialien mit niedriger Oberflächenenergie ist eine Vorbehandlung nötig, bevor sie weiterverarbeitet – etwa bedruckt oder beklebt – werden können. Andere Materialien werden extra so entwickelt, dass sie wasserabweisende Eigenschaften ausbilden – Beispiele sind wasserabweisende Textilbeschichtungen oder Fensterglas.
Wie kann die Oberflächenenergie eines Festkörpers gemessen werden?
Die Oberflächenenergie eines Feststoffes kann durch die Messung von mehreren Kontaktwinkeln mit einem Kontaktwinkelmessgerät und der Sessile-Drop-Methode bestimmt werden. Konkret misst man die Kontaktwinkel von mindestens zwei Testflüssigkeiten, deren Oberflächenspannung bekannt ist. Als Testflüssigkeiten werden in der Regel Wasser, Diiodmethan, Ethylenglycol oder Thiodiglycol angewendet.
Die Oberflächenenergie eines Festkörpers kann mit Hilfe solcher Kontaktwinkelmessungen entsprechend verschiedener Modelle berechnet werden. Solche Modelle beinhalten Berechnungen zu den unterschiedlichen Wechselwirkungen, die zwischen dem Festkörper und der Flüssigkeit stattfinden. Etabliert hat sich dabei vor allem die Unterteilung in disperse und polare Wechselwirkungen.
Das am häufigsten verwendete Modell stammt von Owens, Wendt, Rabel und Kaelble. Es wird verkürzt auch als OWRK-Modell bezeichnet. Es beinhaltet die geometrischen Mittel der dispersen und polaren Anteile von Oberflächenspannung (Flüssigkeit) und Oberflächenenergie (Festkörper):
Im nächsten Schritt wird auf die Young’sche Gleichung (Kontaktwinkel kurz erklärt) zurückgegriffen, die den Zusammenhang von Kontaktwinkel, Oberflächenspannung und Oberflächenenergie zum Ausdruck bringt:
Setzt man nun das OWRK-Modell in die Young’sche Gleichung ein, kann diese zu einer Geradengleichung in der Form y = mx+c umgestellt werden:
Dabei wurden folgende Formelzeichen verwendet:
- σSL: Grenzflächenspannung zwischen Flüssigkeit und Festkörper
- σS: Oberflächenenergie des Festkörpers
- σSd: disperser Anteil der Oberflächenenergie des Festkörpers
- σSp: polarer Anteil der Oberflächenenergie des Festkörpers
- σL: Oberflächenspannung der Testflüssigkeit
- σLd: disperser Anteil der Oberflächenspannung der Testflüssigkeit
- σLp: polarer Anteil der Oberflächenspannung der Testflüssigkeit
- θC: Kontaktwinkel im Gleichgewicht