Modellversuch: Grenzflächenenergie und Grenzflächenspannung sind für Flüssigkeiten äquivalent
An den Grenzflächen zwischen einer Flüssigkeit und einem Gas sowie zwischen zwei Flüssigkeiten können die beiden Konzepte – die Grenzflächenenergie und die Grenzflächenspannung – gleichgesetzt werden. Warum dies so ist, lässt sich mit Hilfe eines Modellversuchs herausfinden.
Dafür sei ein dünner Flüssigkeitsfilm, etwa eine Seifenlauge, in einem U-förmigen Draht, an dessen offener Seite ein verschiebbarer Bügel angebracht ist, gespannt (vgl. Abbildung 2). Es stellt sich ein Gleichgewicht zwischen den Oberflächenkräften des Flüssigkeitsfilms und der Gewichtskraft des Bügels ein. Um den Bügel um Δs zu verschieben und damit die Oberfläche um ΔA = 2bΔs (doppelte Rechteckfläche, da der Film Vorder- und Rückseite hat) zu vergrößern, muss die Kraft F aufgebracht werden.
Durch die Flüssigkeitsoberfläche wirkt eine Zugspannung auf den Bügel, welche der Oberflächenvergrößerung entgegenwirkt. Diese Zugspannung wird auch als Oberflächenspannung bezeichnet. Entgegen diese Zugspannung wird demnach die Arbeit ΔWBgl am Bügel verrichtet um die Oberfläche zu vergrößern:
Bei Flüssigkeiten entspricht die Arbeit ΔWBgl, die am Bügel verrichtet wird, der Arbeit ΔWOb, die für die Vergrößerung der Oberfläche nötig ist:
Das heißt, dass bei Flüssigkeiten die Oberflächenspannung σ und die Oberflächenenergie ε übereinstimmen. Dieselben Überlegungen gelten auch bei einer flüssig-flüssig Grenzfläche.
Warum gilt die Äquivalenz der Grenzflächenspannung und Grenzflächenenergie nicht bei Festkörpern?
Die Gleichheit zwischen Grenzflächenenergie und Grenzflächenspannung gilt nur bei Flüssigkeiten, da hier die Atome oder Moleküle innerhalb der Phase ohne zusätzlichen Arbeitsaufwand verschoben werden können. Würde man den Modellversuch mit einem Festkörper durchführen, so müsste man zusätzlich die Arbeit berücksichtigen, welche für die Verschiebung der Atome oder Moleküle innerhalb der Phase nötig ist. Deshalb ist die einfache Gleichsetzung von Grenzflächenspannung und Grenzflächenenergie bei Festkörpern nicht möglich.