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Dynamische Kontaktwinkel kurz erklärt

Abbildung 1: Wenn Wassertropfen sich auf einer Oberfläche bewegen, bildet sich an der <q>Vorderseite</q> des Tropfens der Fortschreite-Kontaktwinkel Θ<sub>Adv</sub> und an der <q>Rückseite</q> der Rückzugs-Kontaktwinkel Θ<sub>Rec</sub> aus.

Abbildung 1: Wenn Wassertropfen sich auf einer Oberfläche bewegen, bildet sich an der Vorderseite des Tropfens der Fortschreite-Kontaktwinkel ΘAdv und an der Rückseite der Rückzugs-Kontaktwinkel ΘRec aus.

Der Fortschreite- und Rückzugs-Kontaktwinkel sind dynamische Kontaktwinkel. Mit ihnen kann das dynamische Benetzungs- und Entnetzungsverhalten von Flüssigkeiten auf Festkörpern eingehend analysiert werden. Der Unterschied zwischen den beiden dynamischen Kontaktwinkeln ist ein Maß für die Adhäsion der Flüssigkeit auf der Festkörperoberfläche.

Was sind dynamische Kontaktwinkel?

Der Kontaktwinkel ist eine Messgröße, um das Benetzungsverhalten einer Flüssigkeit auf einer Festkörperoberfläche zu analysieren. Der statische Kontaktwinkel beschreibt den Zustand im Gleichgewicht, sprich in Ruhe. Zusätzlich zum statischen können auch dynamische Kontaktwinkel bestimmt werden. Sie beschreiben einen Flüssigkeitstropfen, welcher sich in Bewegung befindet. In der Praxis bedeutet dies etwa, dass ein Tropfen von einer gekippten Festkörperoberfläche abrollt.

Man unterscheidet zwei dynamische Kontaktwinkel. Der Fortschreite-Kontaktwinkel ΘAdv beschreibt, wie eine Flüssigkeit einen Festkörper benetzt. Im Detail liefert er Erkenntnisse darüber, wie die Benetzung eines trockenen Festkörpers mit Flüssigkeit vonstattengeht. Der Rückzugs-Kontaktwinkel ΘRec beschreibt, wie die Flüssigkeit den Festkörper entnetzt. Der Rückszugs-Kontaktwinkel charakterisiert also, wie die Flüssigkeit sich von einem nassen Festkörper löst.

Ein alltägliches Beispiel für dynamische Kontaktwinkel sind Wassertropfen, die von einem Autolack oder einem Glasfenster abrollen. In Roll-Richtung muss die Vorderseite des Tropfens ständig neuen Kontakt mit trockener Festkörperoberfläche eingehen. Die Rückseite des Tropfens hingegen muss sich von der Oberfläche lösen. Es findet also stetig ein Benetzungs- und Entnetzungsvorgang statt.

Abbildung 2: Wird Flüssigkeit zu einem Tropfen hinzudosiert, so wächst der Tropfen und der Kontaktwinkel, bis der Fortschreite-Kontaktwinkel ΘAdv erreicht ist. Danach beginnt der Tropfen, zusätzliche Fläche zu benetzen (links). Wird das Tropfenvolumen verringert, schrumpfen Tropfen und Kontaktwinkel, bis der Rückzugs-Kontaktwinkel ΘRec erreicht ist. Dann beginnt der Tropfen, die Oberfläche zu entnetzen (rechts).

Der Zusammenhang zwischen dynamischen und statischen Kontaktwinkeln

Anhand eines einfachen Experiments lässt sich beschreiben, wie dynamische und statische Kontaktwinkel zusammenhängen (vgl. Abbildung 2). Wird ein Flüssigkeitstropfen sanft auf einem Festkörper abgesetzt, so bildet sich der statische Kontaktwinkel aus. Bei weiterer Zugabe von Flüssigkeit wächst der Tropfen zunächst, ohne dass die Kontaktfläche zwischen Festkörper und Tropfen größer wird.

Bei weiterer Volumenvergrößerung des Tropfens vergrößert sich die Kontaktfläche zwischen Festkörper und Tropfen. Der Tropfen benetzt nun also zusätzliche Fläche bei gleichbleibendem Kontaktwinkel. Nun spricht man vom Fortschreite-Kontaktwinkel. Ähnliches gilt, wenn das Volumen des Tropfens verkleinert wird: zuerst wird der Kontaktwinkel kleiner, ohne dass sich die Kontaktfläche verändert. Dann beginnt der Tropfen, die Festkörperoberfläche zu entnetzen, das heißt, die Kontaktfläche zwischen Festkörperoberfläche und Tropfen schrumpft. Sobald diese Bewegung beginnt, spricht man vom Rückzugs-Kontaktwinkel.

Da die Kontaktfläche sich bei Erreichen der dynamischen Kontaktwinkel zu vergrößern oder verkleinern beginnt, kann der Kontaktwinkel nicht weiterwachsen oder schrumpfen. Der Fortschreite-Kontaktwinkel ΘAdv stellt daher eine obere Grenze und der Rückzugs-Kontaktwinkel ΘRec eine untere Grenze für den statische Kontaktwinkel ΘC dar: ΘAdv > ΘC > ΘRec.

Die Differenz der beiden dynamischen Kontaktwinkeln wird als Kontaktwinkelhysterese ΘH bezeichnet: ΘH = ΘAdv - ΘRec. Ist die Kontaktwinkelhysterese klein, so führt bereits eine geringe Änderung des Volumens zu einer Änderung der Kontaktfläche. Je größer die Kontaktwinkelhysterese ist, umso größer muss die Volumenänderung sein, damit sich die Kontaktfläche ändert. Daher ist die Kontaktwinkelhysterese ein Maß für die Adhäsion des Flüssigkeitstropfens auf der Oberfläche, sprich wie gut ein Flüssigkeitstropfen auf der Oberfläche verharrt oder klebt.

Wie misst man dynamische Kontaktwinkel?

Sobald der Kontaktwinkel die Grenzwerte, also die dynamischen Kontaktwinkel erreicht, beginnt sich die Kontaktfläche zu verändern. Somit sind die dynamischen Kontaktwinkel auch experimentell zugänglich. Für die Untersuchung der dynamischen Kontaktwinkel können sowohl optische als auch kraftbasierte Methoden angewendet werden.

Man kann dynamische Kontaktwinkel kraftbasiert mit einem Tensiometer über die Wilhelmy-Methode messen. Außerdem können dynamische Kontaktwinkel mit einem optischen Kontaktwinkelmessgerät und der Nadel-im-Tropfen-Methode sowie der Abroll-Methode bestimmt werden.

Anwendungsbeispiele für die Messung der dynamischen Kontaktwinkel

Die dynamischen Kontaktwinkel sind in verschiedenen Anwendungen von Bedeutung, insbesondere dann, wenn die Wechselwirkungen zwischen Flüssigkeiten und Festkörpern bei Bewegung zueinander eine entscheidende Rolle spielen.

  • Die Effektivität von selbstreinigenden Oberflächen kann über dynamische Kontaktwinkelmessungen beurteilt werden. Ein Ziel bei der Entwicklung solcher Oberflächen ist es, ein möglichst einfaches Abrollen von Flüssigkeitstropfen zu erreichen. Hier ist eine geringe Kontaktwinkelhysterese erstrebenswert.
  • Beim Tintenstrahldruck ist der dynamische Kontaktwinkel entscheidend, um das Verhalten der Tintentröpfchen auf dem Druckmedium zu verstehen. Dies beeinflusst die Qualität der gedruckten Bilder und Texte, insbesondere auf nicht saugfähigen oder beschichteten Oberflächen.
  • In der Ölindustrie spielen dynamische Kontaktwinkel eine Rolle bei der Beurteilung davon, wie Öl sich in porösen Gesteinen während der Förderung und des Transports bewegt.
  • In der Medizintechnik ist die Kenntnis der dynamischen Kontaktwinkel für die Entwicklung von beschichteten Implantaten oder medizinischen Geräten von Bedeutung. So kann die Biokompatibilität und das Verhalten von Flüssigkeiten im Kontakt mit den Oberflächen verbessert werden.
  • In der Beschichtungsindustrie ist es wichtig zu wissen, wie gut die Flüssigkeit die Festkörperoberfläche während eines Sprühprozesses benetzt. Die Messung der dynamische Kontaktwinkel ermöglicht eine bessere Beurteilung der Benetzung während des Auftragungsprozesses. So können Prozessparameter angepasst werden, um eine gleichmäßigere und präzisere Beschichtung zu erreichen.
  • Außerdem beeinflussen die Benetzungseigenschaften von Flüssigkeiten auf Textilien Prozesse wie Färben, Beschichten und Veredeln.