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Imaginäre Kontaktwinkel: stark benetzbare Oberflächen charakterisieren DataPhysics Instruments Logo

Imaginäre Kontaktwinkel: stark benetzbare Oberflächen charakterisieren

Abbildung 1: Insbesondere bei stark hydrophilen und rauen Oberflächen, wie sie beispielsweise bei Zahnimplantaten vorkommen, erlauben imaginäre Kontaktwinkel eine differenzierte Charakterisierung der Benetzbarkeit.

Abbildung 1: Insbesondere bei stark hydrophilen und rauen Oberflächen, wie sie beispielsweise bei Zahnimplantaten vorkommen, erlauben imaginäre Kontaktwinkel eine differenzierte Charakterisierung der Benetzbarkeit.

Kontaktwinkel geben Aufschluss über die Benetzbarkeit von festen Proben. Dynamische Kontaktwinkel lassen sich mit einem kraftbasierten Tensiometer und der Wilhelmy-Gleichung bestimmen. Imaginäre Kontaktwinkel sind rechnerische Lösungen für die Wilhelmy-Gleichung, die vor allem bei stark benetzbaren und rauen Oberflächen von Bedeutung sind.

Grundlagen: Der Kontaktwinkel an der Drei-Phasen-Kontaktlinie

Bevor wir uns den imaginären Kontaktwinkeln widmen, müssen einige Grundlagen geklärt werden. Um die Situation an der Grenzfläche zwischen verschiedenen Materialien näher zu beschreiben, ist der Kontaktwinkel Θ eine der wichtigsten Messgrößen. Der Kontaktwinkel kann gemessen werden, indem ein Flüssigkeitstropfen auf einer Festkörperoberfläche abgesetzt wird. Nun treffen drei verschiedene Phasen - Festkörper, Flüssigkeit und Gas - an der Drei-Phasen-Kontaktlinie aufeinander.

Ist das System in Ruhe, herrscht an der Drei-Phasen-Kontaktlinie ein Gleichgewicht der tangentialen Kräfte. In diesem Zustand bildet sich an der Drei-Phasen-Kontaktlinie der statische Kontaktwinkel ΘC aus. Ist das System in Bewegung, etwa, wenn die Festkörperoberfläche gekippt wird, kann man die dynamischen Kontaktwinkel ΘAdv und ΘRec bestimmen.

Kontaktwinkel geben Aufschluss über Benetzung des Festkörpers

Die Messung des Kontaktwinkels einer Flüssigkeit auf einem Festkörper gibt Aufschluss über das Benetzungsverhalten dieser Kombination. Das angestrebte Benetzungsverhalten ist von dem jeweiligen Anwendungsfall abhängig.

Bei einem Kontaktwinkel von 180° liegt der Tropfen kugelförmig zusammengezogen auf der Oberfläche auf und berührt den Festkörper nur an einem Punkt. In diesem Fall spricht man von vollständiger Entnetzung. Bei einem Kontaktwinkel von 0° ist der Tropfen vollständig auf der Festkörperoberfläche ausgebreitet oder gespreitet. Der Tropfen bildet einen dünnen, Flüssigkeitsfilm auf der festen Oberfläche. In diesem Fall spricht man von vollständiger Benetzung. Bei außerordentlich gut benetzbaren Proben ist es allerdings möglich, eine bessere Benetzung als mit einem Kontaktwinkel von 0° zu erreichen. Man spricht dann von imaginären Kontaktwinkeln.

Was sind dynamische Kontaktwinkel?

Der statische Kontaktwinkel beschreibt den Zustand im Gleichgewicht, sprich in Ruhe. Zusätzlich zum statischen können auch dynamische Kontaktwinkel bestimmt werden. Sie beschreiben einen Zustand bei dem sich die Drei-Phasen-Kontaktlinie in Bewegung befindet.

Man unterscheidet zwei dynamische Kontaktwinkel. Der Fortschreite-Kontaktwinkel ΘAdv beschreibt, wie eine Flüssigkeit einen Festkörper benetzt. Im Detail liefert er Erkenntnisse darüber, wie die Benetzung eines trockenen Festkörpers mit Flüssigkeit vonstattengeht. Der Rückzugs-Kontaktwinkel ΘRec beschreibt, wie die Flüssigkeit den Festkörper entnetzt. Der Rückzugs-Kontaktwinkel charakterisiert also, wie die Flüssigkeit sich von einem nassen Festkörper löst.

Messung dynamischer Kontaktwinkel

Ein kraftbasiertes Tensiometer, wie die Modelle der DCAT-Serie von DataPhysics Instruments, kann kraftbasierte Untersuchungen von Grenzflächenparametern und -phänomenen durchführen. Dazu zählt auch die Messung des dynamischen Kontaktwinkels mithilfe der Wilhelmy-Platten-Methode. Dies ist besonders nützlich für die Untersuchung stark benetzbarer Proben. Wenn die optische Konturanalyse an ihre Grenzen stößt, liefert das präzise Wägesystem des DCAT dennoch zuverlässige Ergebnisse bei der Messung dynamischer Kontaktwinkel.

Zur Messung dynamischer Kontaktwinkel wird die feste Probe über einen Halter an der Waage des Geräts befestigt und dann in eine Testflüssigkeit mit bekannter Oberflächenspannung eingetaucht und wieder herausgezogen. So können der Forstschreite- und Rückzugskontaktwinkel für das Eintauchen bzw. für das Herausziehen gemessen werden.

Die Berechnung erfolgt auf Basis der Wilhelmy-Gleichung:

cos⁡(Θ) = FG / (Lσ)


Θ: zu ermittelnder Kontaktwinkel
FG: gemessene Gewichtskraft der Flüssigkeitslamelle
L: Länge der Kontaktlinie
σ: bekannte Oberflächenspannung

Imaginäre Kontaktwinkel berechnen

Für einen reelle Kontaktwinkel zwischen 0° und 180° kann der Wert von cos(Θ) nur zwischen -1 und 1 liegen. In der Praxis liefern Messungen von sehr hydrophilen, also sehr benetzbaren, Oberflächen jedoch Werte größer als 1, insbesondere bei rauen Oberflächen. Bei diesen entsteht während der Benetzung durch die Kapillarität einer porösen Oberfläche eine zusätzliche Kraft. H. P. Jennisen hat in den beiden Artikeln Contact angle measurement on dental implants und Hydrophilic rough surfaces and imaginary contact angles eine Methode definiert, um solche Kontaktwinkel zu berechnen. Er nennt die Methode die Ermittlung imaginärer Kontaktwinkel.

Anstatt in diesen Fällen allen Oberflächen den gleichen Kontaktwinkel von 0° zuzuweisen, berechnet die Tensiometer-Software von DataPhysics Instruments den imaginären Kontaktwinkel, also die komplexe Zahl iΘ, für die cos(iΘ) Werte größer als 1 liefert und somit die Wilhelmy-Gleichung für die gemessenen Werte erfüllt. Dies eröffnet die Möglichkeit, weiterhin zwischen sehr hydrophilen Materialien zu unterscheiden und Oberflächenbehandlungstechniken wie die UV- oder Plasmabehandlung von zum Beispiel Zahnimplantaten zu untersuchen.