Abbildung 1: Mit Hilfe der Grenzflächenenergie ist es möglich, Aussagen über die Benetzungseigenschaften zu treffen.
Soll eine Grenzfläche vergrößert werden, muss Arbeit verrichtet werden, um die Atome oder Moleküle an die Grenzfläche zu bewegen. Diese Arbeit bleibt als Energie in den Atomen bzw. Molekülen an der Grenzfläche gespeichert und wird das Grenzflächenenergie bezeichnet.
Die Atome oder Moleküle eines Festkörpers oder einer Flüssigkeit werden durch Wechselwirkungen zusammengehalten. Im Inneren der Phase befinden sich die Atome oder Moleküle im Kräftegleichgewicht. An der Grenzfläche sind die Kräfte von außerhalb wesentlich schwächer, weshalb sich eine resultierende Kraft ins Innere der Phase ergibt (vgl. Abbildung 2).
Um gegen diese Kraft ein Atom oder Molekül an die Grenzfläche einer Phase zu bringen, muss Arbeit verrichtet werden. Diese Arbeit bleibt in dem Atom oder Molekül an der Grenzfläche als potentielle Energie gespeichert. Die gespeicherte Energie wird als Grenzflächenenergie bezeichnet.
Anders ausgedrückt ist die Grenzflächenenergie die Energie, die benötigt wird, um die Grenzfläche zu vergrößern. Physikalisch gesehen wird für die Vergrößerung der Grenzfläche um den Betrag ΔA die Energie ΔWGr benötigt. Die so definierte Grenzflächenenergie ε wird in J/m2 angegeben:
Abbildung 2: An der Grenzfläche ergibt sich eine ins Innere der Phase gerichtete Kraft.
Je höher die Grenzflächenenergie eines Feststoffes gegen Luft (auch Oberflächenenergie genannt), desto niedriger ist der Kontaktwinkel, also der Winkel, den ein Flüssigkeitstropfen auf dieser Oberfläche ausbildet. Ist der Kontaktwinkel niedrig, ist die Benetzung größer. In der Regel bedeutet dies eine höhere Haftung oder Adhäsion der Flüssigkeit auf dem Feststoff. In der Industrie – zum Beispiel für Kleb- und Druckprozesse – ist deshalb eine hohe Oberflächenenergie des Feststoffes erwünscht.
Die Grenzflächenenergie ist ein Oberbegriff, der für alle Phasengrenzen verwendet werden kann. Allerdings haben sich für besonders häufige Grenzflächen eigene Begriffe etabliert. Bei einer fest-gasförmigen Phasengrenze verwendet man oft den Begriff Oberflächenenergie.
Die Grenzflächenspannung ist eine andere Art, eine Grenzfläche zu beschreiben. Während die Grenzflächenenergie die potenzielle Energie beschreibt, die für die Vergrößerung einer Grenzfläche nötig wäre, beschreibt die Grenzflächenspannung die Zugkraft, die einer Vergrößerung der Grenzfläche entgegenwirkt. Während man die Grenzflächenenergie in der Einheit Joule pro Quadratmeter misst, hat die Grenzflächenspannung die Einheit Newton pro Meter. Allerdings sind beide Konzepte sehr eng verwandt. Bei einer flüssig-flüssigen und flüssig-gasförmigen Phasengrenze ist es sogar so, dass die Grenz- oder Oberflächenenergie der Grenz- oder Oberflächenspannung entspricht. Der Einfachheit halber wird in der Literatur deshalb oft für die Grenz- und Oberflächenenergie und Grenz- und Oberflächenspannung dasselbe Formelzeichen σ verwendet.
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